Es gibt sie, diese Tage.
An denen wir zweifeln. Und uns fragen, was wir hier eigentlich tun. An denen alles grau scheint – außen wie innen.
Wir neigen dazu, das Grau an solchen Tagen durch unsere eigenen Gedanken noch zu verstärken.
Manchmal, da sind wir auch so gefangen in ihm, dass wir das Licht, das die ganze Zeit hinter ihm hervorblitzt, gar nicht mehr sehen.
Für solche Tage sind diese fünf Texte.
Es sind Texte, die mich schon lange auf meinem Weg begleiten.
Durch Krisen und bei Neuanfängen.
Auf wirren Wegen und in Innehalt-Zeiten.
Dann, wenn es um mich laut ist und in mir wuselig.
Wenn ich mir einen Ort zum Ausruhen wünsche
und im Außen keinen finde.
Ihre Worte verbinden mich wieder mit der Stille in mir.
Sie lassen mich tief aus- und anschließend aufatmen. Helfen mir, meinen Wesenskern bewusst zu spüren.
Und wieder ganz bei mir anzukommen.
Das sind sie, die fünf Texte:
1) Nicht mehr und noch nicht von Ulrich Schaffer
Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Text schon gelesen habe. Vor Jahren in einem Buch gefunden, trage ich ihn heute als zerknitterte Kopie bei mir. Er war es, der mich besonders in den großen Umbruchzeiten immer wieder getragen hat. Der mir Mut gemacht hat, weiterzugehen. Und mir das Gefühl gegeben hat, gemeinsam mit anderen Menschen (die ich vielleicht noch nicht einmal kannte!) durch die Zeiten des Dazwischenhängens zu gehen.
Hier kannst du den Text lesen.
2) Die Chance der Bärenraupe über die Straße zu kommen von Rudolf Otto Wiemer
Die Bärenraupe. Sie, die so klein ist und doch so kraftvoll. Sie, die einfach losgeht in diesem Text. Die neben dem, der sich Gedanken macht, um das, was alles passieren könnte, so mutig, ja, ein stückweit auch naiv, einfach geht. Die Bärenraupe, die mich im Blick behalten lässt, was mir wichtig ist, worauf ich mich ausrichte. Und die mich erinnert, wie leicht es gehen darf, den ersten Schritt zu tun.
Hier kannst du den Text lesen.
3) Die Einladung von Oriah Mountain Dreamer
Geschrieben nach einer freudlosen Party voll leerer Gespräche, ist dieser Text von Oriah Mountain Dreamer einer, der mich mit der Sehnsucht in mir wieder verbindet. Mit der Sehnsucht nach echten Gesprächen, nach Tiefgang und Authentizität. Danach, die Masken des Alltag immer wieder und immer öfter abzunehmen, um uns als Menschen zu begegnen. Und zu staunen und berührt zu sein von dem, was wir dabei zu entdecken vermögen.
Hier kannst du den Text lesen.
4) Lass mich langsamer gehen (aus Südafrika)
Dieses südafrikanische Gebet hängt neben meinem Spiegel im Badezimmer. Immer dann, wenn ich mich dabei ertappe, wie ich wieder einmal durch den Tag rase, holt es mich zurück. Lässt es mich mich selbst wieder spüren. Es ist wie ein Runterfahr-Zauber. Lese ich die ersten Zeilen dieses Gebetes, entspannt sich etwas in mir augenblicklich. Ich atme auf, atme durch und komme wieder an, bei mir.
Hier kannst du den Text lesen.
5) Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte (unbekannt, unterschiedlichen Autoren zugeschrieben)
Das scheinbar Kleine tun, das sich letztendlich als das große Wichtige herausstellt. Wieder daran erinnert werden zu lachen, zu leben, zu lieben. Darin ist dieser Text unschlagbar. Er, der uns gerade in den Nichtigkeiten des Alltags, die uns nur allzu oft allzu wesentlich erscheinen, wieder mit dem verbindet, was wirklich zählt. Und uns das Leben wieder tiefer, wieder deutlicher, hier und jetzt, erleben lässt.
Hier kannst du den Text lesen.
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Wie ist das bei dir? Gibt es da auch einen Text, der dich schon länger begleitet? Einen für graue Mutlos-Tage? Einen, der dich wieder mit der Kraft, der Freude und der Stille in dir verbindet? Vielleicht ein Text eines anderen Autors, vielleicht auch einer von dir selbst?
Wenn du magst, teile ihn hier im Blog mit uns (deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht!). Ich freue mich auf dich!
Herzlich,
Sabrina
Hallo,
Wo finde ich den Text „Nicht mehr und noch nicht“ von Ulrich Schaffer? Der Link funktioniert nicht…
Hallo Sabrina,
schöne Texte hast du da auf deiner Seite. Habe mir zum Schluss den Text „Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte“ durchgelesen. Mhhh, wahre Worte. Würde jetzt mit 38 schon so einiges anders machen. Nicht auszudenken, wie ich erst mit 70 oder 80 über mein Leben denken werde. In jedem Fall regt der Text extrem zum Nachdenken an. Man sollte sich echt auf die wesentlichen Dinge im Leben besinnen. Einen guten Mix aus Arbeit und Freizeit finden. Freundschaften pflegen. Gesund hilfsbereit sein. Vielleicht auch öfters mal „Nein“ sagen können. Da gibt es so viele Punkte. Da reicht der Platz gar nicht für ^^.
Liebe Grüße
Marco
Lieber Marco,
es freut mich, dass dich meine Sammlung anspricht – mögen dich die Texte (wie sie es schon getan haben) inspirieren auf deinem eigenen Weg!
Herzlich,
Sabrina
Hallo Sabrina,
am schönsten fand ich den Text von der alten Dame und Ihre Ansicht das Sie hätte mehr riskieren sollen.
Leider wird in unserer Gesellschaft den alten und weisen zu wenig Gehör geschenkt, dabei könnten wir so viel von ihnen lernen -.-
Gruß aus Berlin
Lieber Pascal,
ja, dieser Text begleitet mich auch schon lange! Woran ich mich immer wiedre erinnern mag: Dass ich selbst den Älteren sehr wohl mein Ohr schenken, ihre Nähe suchen, von ihnen lernen kann. Ganz persönlich – und somit mich von ihren Erfahrungen begleiten lassen kann.
Herzlich,
Sabrina
Liebe Sabrina, ich habe mit großem Interesse die Texte gelesen. Leider wurde unter Punkt 2 und 4 nur ein Gemeindebote angezeigt. Ich habe mich mühsam durch die 24 Seiten geklickt, die Texte aber nicht gefunden. Vielleicht geht es mir ja so, wie im Supermarkt, dass ich vor dem vollen Regal den Artikel, den ich suche, nicht finden kann….Über einen Hinweis wäre ich dankbar.
Herzliche Grüße
Daniela
Liebe Daniela,
danke dir ganz herzlich für deinen Hinweis – da haben wohl die Betreiber in der Zwischenzeit die Website gewechselt, so dass die Texte nicht mehr auffindbar sind. Ich habe beide Texte jetzt nochmals neu verlinkt, so dass es klappen sollte!
Herzlich,
Sabrina
Ein wunderschöner Beitrag und ein sehr informativer Blog – Herzlichen Glückwünsch! Ja, es gibt diese Tage. Sie dürfen auch sein. Für mich persönlich sind sie eine Zeit der Reflexion, des Hinterfragens und es ruhiger anzugehen. An Tagen wo für mich die Sonne scheint, gehe ich geradeaus, visiere meine Ziele oder stecke mir mutig und motiviert neue Ziele. „Wo die Sonne scheint, da fällt auch Schatten“.
Herzliche Grüße und alles Gute für diesen wunderbaren Blog!
Claudia Bäumer
Liebe Sabrina,
vielen Dank für Deine besonderen Beiträge und Anregungen!
Herzliche Grüße Barbara
Die Antwort ist im Innern…
Vor langer Zeit, so will es mir jetzt scheinen,
bevor ich wurde, was ich bin,
war ich wie eine kleine, leere Schale,
voll Sehnsucht, bis an den Rand gefüllt zu werden.
Wie sehr suchte ich Antworten
von Lehrern, die ich hoch über mich selbst stellte,
wollte mit Flügeln fliegen, die nicht meine eigenen waren,
und hoffte darauf, dass der Wind mich emporheben würde.
Ich durchforschte die Schriften, alt und neu,
vollzog Rituale und ließ sie wieder,
irgendwann wurde der Talisman auch egal,
und nichts von allem schien vom Himmel gesandt.
Die Antwort ist im Innern mein Freund,
die Antwort ist im Innern.
Weder der Berg kann sie behalten,
noch gehört sie den Lehrern:
Die Antwort ist im Innern.
Eines Morgens war es, da stand ich in Tränen vorm Spiegel,
uneins mit meiner selbstgemachten Welt,
und plötzlich sah ich: Das Gesicht, das mich anblickte,
war ganz frei von Kummer und Angst.
Augenblicklich sah ich in leuchtender Klarheit
all die Weisheit, die mein Leben empfangen hatte.
Der Schüler war gewichen, der Lehrer war da,
aber so hatte ich’s nie erwartet.
Mitten im Seiltanz zwischen Unwissen und Glück
bitten wir um göttliche Weisheit
und doch ist unsere größte Sünde die Angst
vor dem Wissen, dass Gott in uns ist.
Und so brauch ich keine Berge, nicht Bücher und nicht Flügel,
und ich brauche keinen, der mich rettet.
Nein, ich brauche nur die Antworten von innen zu rufen
und ihnen dann klar und mutig zu folgen.
Die Antwort ist im Innern, mein Freund,
die Antwort ist im Innern.
Michael B. Putman und Catherine Wilson Aus dem Buch: Wiedergefunden von Alan Cohen
Danke dir, liebe Barbara, für deine Rückmeldung und vor allem auch für den so stimmigen, klaren Text, danke dir!
Herzlich,
Sabrina
Liebe Sabrina,
danke für Deine wunderschönen Texe! Ulrich Schaffer liebe ich auch sehr, v.a. die Texte aus seinem „Handbuch der Mutigen“.
Ich führe ein Eintragebuch, in das ich inspirierende Texte mit Kalligraphiestift eintrage, um immer wieder darin zu lesen… und ein paar Texte darin sind mir seit Jahren besonders Halt und Stütze:
Der erste Text hilft mir beim Bewältigen meines – von mir als sehr anstrengend wahrgenommenen – Familienalltags. Er stammt von Rudolf Steiner:
Innere Ruhe
Ich trage Ruhe in mir,
ich trage in mir selbst
die Kräfte, die mich stärken
Ich will mich erfüllen
mit dieser Kräfte Wärme,
ich will mich durchdrinegn
mit meines Willens Macht.
Und fühlen will ich
wie Ruhe sich ergießt
durch all mein Sein,
wenn ich mich stärke,
die Ruhe und die Kraft
in mir zu finden,
durch meines Strebens Macht.
Der zweite Text hilft mir, z.B. mit Zukunftsängsten umzugehen, er stammt auch (wenn auch als Zusammenschnitt aus einem Vortrag) von Steiner (1910):
E r g e b e n h e i t s – G e b e t
Was auch kommt, was mir auch die nächste Stunde, der nächste
Tag bringen mag: Ich kann es zunächst, wenn es mir ganz
unbekannt ist, durch keine Furcht ändern.
Ich erwarte es mit vollkommenster innerer Seelenruhe, mit
vollkommener Meeresstille des Gemütes.
Durch Angst und Furcht wird unsere Entwicklung gehemmt;
wir weisen durch die Wellen der Furcht und Angst zurück, was
in unsere Seele aus der Zukunft herein will.
Die Hingabe an das, was man göttliche Weisheit in den
Ereignissen nennt, die Gewissheit, dass das, was da kommen
wird, sein muss, und dass es auch nach irgendeiner Richtung
seine guten Wirkungen haben müsste, das Hervorrufen dieser
Stimmung in Worten, in Empfindungen, in Ideen, das ist die
Stimmung des Ergebenheitsgebetes.
Es gehört zu dem, was wir in dieser Zeit lernen müssen: Aus
reinem Vertrauen zu leben, ohne Daseinssicherung, aus dem
Vertrauen auf die immer gegenwärtige Hilfe der geistigen
Welt. Wahrhaftig anders geht es heute nicht, wenn der Mut
nicht sinken soll.
Nehmen wir unseren Willen gehörig in Zucht und suchen wir
die Erweckung von innen jeden Morgen und jeden Abend.
Rudolf Steiner
Der dritte Text hilft mir beim Abwarten, was da kommen mag, er stammt von Rilke ( aus Briefe an einen jungen Dichter, S. 21, hier aus dem Internet kopiert), Du kennst ihn bestimmt:
Hier Zitat aus Briefe, erster Band: 1897 bis 1914, (Wiesbaden) 1950, 49
«(…) und ich möchte Sie, so gut ich es kann bitten, Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in Ihrem Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst lieb zu haben, wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer fremden Sprache geschrieben sind. Forschen Sie jetzt nicht nach den Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie jetzt nicht leben könnten. Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antworten hinein.»
Dann noch den Nelson Mandela zugeschriebenen Text, der so bekannt ist, dass ich ihn hier nur ansatzweise hinschreibe: „Jeder Mensch ist dazu bestimmt, zu leuchten…“
Und schließlich noch ein wunderschönes Gedicht, das mich begleitet, wann immer ich mit den Ambivalenzen meines Lebens hadere. Es ist von Thomas Brasch, aus Kargo. 32. Versuch auf einem untergehenden Schiff aus der eigenen Haut zu kommen (1977):
Lied / Stille
Was ich habe, will ich nicht verlieren, aber
wo ich bin will ich nicht bleiben, aber
die ich liebe, will ich nicht verlassen, aber
die ich kenne will ich nicht mehr sehen, aber
wo ich sterbe, da will ich nicht hin;
Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin.
Liebe Grüße,
Melanie aus Much
Liebe Sabrina,
ich habe auch einen Text (auf schon zerknittertem Papier), der mir in dunklen Zeiten unglaublich viel Kraft gegeben hat. Der Text ist von Dag Hammarskjöld. Er war Jurist und ein tief spiritueller Mensch, der in einer sehr schwierigen Zeit der Vereinten Nationen Generalsekretär war.
Mit einem Herzensgruß,
Susanne
Müde
und einsam.
Müde
bis der Verstand schmerzt.
Von den Klippen
rinnt Schmelzwasser.
Taub die Finger,
bebend die Knie.
Jetzt gilt es,
jetzt darfst du nicht loslassen.
Anderer Weg
hat Rastplätze
in der Sonne,
sich zu begegnen.
Aber dieser Weg
ist der deine,
und es gilt jetzt,
jetzt darfst du nicht verzagen.
Weine,
wenn du kannst,
weine,
doch klage nicht.
Dich wählte der Weg –
und du sollst danken.
Danke dir, liebe Susanne, für diesen Text, der sicher in der Stille am tiefsten wirkt.
Herzlich,
Sabrina